Am
Abend ward zum Greis der Vater; in dunklen Zimmern versteinerte das Antlitz der
Mutter und auf dem Knaben lastete der Fluch des entarteten Geschlechts.
Manchmal erinnerte er sich seiner Kindheit,erfüllt von Krankheit, Schrecken und
Finsternis, verschwiegener Spiele im Sternengarten, oder daß er die Ratten
fütterte im dämmernden Hof. Aus blauem Spiegel trat die schmale Gestalt der
Schwester und er stürzte wie tot ins Dunkel. Nachts brach sein Mund gleich
einer roten Frucht auf und die Sterne erglänzten über seiner sprachlosen
Trauer. Seine Träume erfüllten das alte Haus der Väter. Am Abend ging er gerne
über den verfallenen Friedhof, oder er besah in dämmernder Totenkammer die
Leichen, die grünen Flecken der Verwesung auf ihren schönen Händen. An der
Pforte des Klosters bat er um ein Stück Brot; der Schatten eines Rappen sprang
aus dem Dunkel und erschreckte ihn. Wenn er in seinem kühlen Bette lag,
überkamen ihn unsägliche Tränen. Aber es war niemand, der die Hand auf seine
Stirne gelegt hätte. Wenn der Herbst kam, ging er, ein Hellseher, in brauner
Au. O, die Stunden wilder Verzückung, die Abende am grünen Fluß, die Jagden. O, die Seele, die leise das Lied des vergilbten Rohrs
sang; feurige Frömmigkeit. Stille sah er und lang in die Sternenaugen der
Kröte, befühlte mit erschauernden Händen die Kühle des alten Steins und
besprach die ehrwürdige Sage des blauen Quells. O, die silbernen Fische und die
Früchte, die von verkrüppelten Bäumen fielen. Die Akkorde seiner Schritte
erfüllten ihn mit Stolz und Menschenverachtung. Am Heimweg traf er ein
unbe-wohntes Schloß. Verfallene Götter standen im Garten,hintrauernd am Abend.
Ihm aber schien: hier lebte ichvergessene Jahre. Ein Orgelchoral erfüllte ihn
mit Gottes Schauern. Aber in dunklen Höhle verbrachte erseine Tage, log und
stahl und verbarg sich, ein flammender Wolf, vor dem weißen Antlitz der Mutter.
O, die Stunde, da er mit steinernem Munde im Sternengarten hinsank, der
Schatten des Mörders über ihn kam. Mit purpurner Stirne ging er ins Moor und
Gottes Zorn züchtigte seine metallenen Schultern; o, die Birken im Sturm, das
dunkle Getier, das seine umnachteten Pfade mied. Haß verbrannte sein Herz,
Wollust, da er im grünen den Sommergarten dem schweigenden Kind Gewalt tat, in
dem strahlenden sein umnachtetes Antlitz erkannte. Weh, des Abends am Fenster,
da aus purpurnen Blumen, ein gräulich Gerippe, der Tod trat. O, ihr Türme und
Glocken; und die Schatten der Nacht fielen steinern auf ihn.
Niemand
liebte ihn. Sein Haupt verbrannte Lüge und Unzucht in dämmernden Zimmern. Das
blaue Rauschen eines Frauengewandes ließ ihn zur Säule erstarren und in der Tür
stand die nächtige Gestalt seiner Mutter. Zu seinen Häupten erhob sich der
Schatten des Bösen. O, ihr Nächte und Sterne. Am Abend ging er mit dem Krüppel
am Berge hin; auf eisigem Gipfel lag der rosige Glanz der Abendröte und sein
Herz läutete leise in der Dämmerung. Schwer sanken die stürmischen Tannen über
sie und der rote Jäger trat aus dem Wald. Da es Nacht ward, zerbrach kristallen
sein Herz und die Finsternis schlug seine Stirne. Unter kahlen Eichbäumen
erwürgte er mit eisigen Händen eine wilde Katze. Klagend zur Rechten erschien die weiße Gestalt eines Engels, und es wuchsim
Dunkel der Schatten des Krüppels. Er aber hobeinen Stein und warf ihn nach
jenem, daß er heulend floh, und seufzend verging im Schatten des Baums das
sanfte Antlitz des Engels. Lange lag er auf steinigem Acker und sah staunend
das goldene Zelt der Sterne. Von Fledermäusen gejagt, stürzte er fort ins
Dunkel. Atemlos trat er ins verfallene Haus. Im Hof trank er, ein wildes Tier,
von den blauen Wassern desBrunnens, bis ihn fror. Fiebernd saß er auf der
eisigen Stiege, rasend gen Gott, daß er stürbe. O, das graue Antlitz des
Schreckens, da er die runden Augen über einer Taube zerschnittener Kehle aufhob.
Huschend über fremde Stiegen begegnete er einem Judenmädchen und er griff nach
ihrem schwarzen Haar und er nahm ihren Mund Feindliches folgte ihm durch
finstere Gassen und sein Ohr zerriß ein eisernesKlirren. An herbstlichen Mauern
folgte er, ein Mesnerknabe, stille dem schweigenden Priester; unterverdorrten
Bäumen atmete er trunken den Scharlach jenes ehrwürdigen Gewands. O, die
verfallene Scheibe der Sonne. Süße Martern verzehrten sein Fleisch. In einem
verödeten Durchhaus erschien ihm starrend von Unrat seine blutende Gestalt.
Tiefer liebte er die erhabenen Werke des Steins; den Turm, der mit höllischen
Fratzen nächtlich den blauen Sternenhimmel stürmt; das kühle Grab, darin des
Menschen feuriges Herz bewahrt ist. Weh, der unsäglichen Schuld, die jenes
kundtut. Aber da er Glühendes sinnend den herbstlichen Fluß hinabing unter
kahlen Bäumen hin, erschien in härenem Mantel ihm, ein flammender Dämon, die
Schwester. Beim Erwachen erloschen zu ihren Häuptern die Sterne.
O
des verfluchten Geschlechts. Wenn in befleckten Zimmern jegliches Schicksal
vollendet ist, tritt mit modernden Schritten der Tod in das Haus. O, daß
draußen Frühling wäre und im blühenden Baum ein lieblicher Vogel singe. Aber
gräulich verdorrt das spärliche Grün an den Fenstern der Nächtlichen und es
sinnen die blutenden Herzen noch Böses. O, die dämmern den Frühlingswege des
Sinnenden. Gerechter erfreut ihn die blühende Hecke, die junge Saat des
Landmanns und der singende Vogel, Gottes sanftes Geschöpf; die Abendglocke und
die schöne Gemeine der Menschen. Daß er seines Schicksals vergäße und des
dornigen Stachels. Frei ergrünt der Bach, wo silbern wandelt sein Fuß, und ein
sagender Baum rauscht über dem umnachteten Haupt ihm. Also hebt er mit
schmächtiger Hand die Schlange, und in feurigen Tränen schmolz ihm das Herz
hin. Erhaben ist das Schweigen des Walds, ergrüntes Dunkel und das moosige
Getier, aufflatternd, wenn es Nacht wird. O der Schauer, da jegliches seine Schuld weiß dornige Pfade geht. Also fand er im
Dornenbusch die weiße Gestalt des Kindes, blutend nach dem Mantel seines
Bräutigams. Er aber stand vergraben in sein stählernes Haar stumm und leidend
vor ihr. O die strahlen-den Engel, die der purpurne Nachtwind zerstreute. Nachtlang
wohnte er in kristallener Höhle und der Aussatz wuchs silbern auf seiner
Stirne. Ein Schatten ging er den Saumpfad hinab unter herbstlichen Sternen.
Schnee fiel, und blaue Finsternis erfüllte das Haus. Eines Blinden klang die
harte Stimme des Vaters und beschwor das Grauen. Weh der gebeugten Erscheinung
der Frauen. Unter erstarrten Händen verfielen Frucht und Gerät dem entsetzten
Geschlecht. Ein Wolf zerriß das Erstgeborene und die Schwestern flohen in
dunkle Gärten zu knöchernen Greisen. Ein umnachteter Seher sang jener an
verfallenen Mauern und seine Stimme verschlang Gottes Wind. O die Wollust des
Todes. O ihr Kinder eines dunklen Ge-schlechts. Silbern schimmern die bösen
Blumen des Bluts an jenes Schläfe, der kalte Mond in seinen zerbrochenen Augen.
O, der Nächtlichen; o, der Verfluchten.
Tief
ist der Schlummer in dunklen Giften, erfüllt von Sternen und dem weißen Antlitz
der Mutter, dem steinernen. Bitter ist der Tod, die Kost der Schuldbeladenen;
in dem braunen Geäst des Stamms zerfielen grinsend die irdenen Gesichter. Aber
leise sang jener im grünen Schatten des Hollunders, da er aus bösen Träumen
erwachte; süßer Gespiele nahte ihm ein rosiger Engel, daß er, ein sanftes Wild,
zur Nacht hin-schlummerte; und er sah das Sternenantlitz der Rein-heit. Golden
sanken die Sonnenblumen über den Zaun des Gartens, da es Sommer ward. O, der
Fleiß der Bienen und das grüne Laub des Nußbaums; die vorüberziehenden
Gewitter. Silbern blühte der Mohn auch, trug in grüner Kapsel unsere nächtigen
Sternenträume. O, wie stille war das Haus, als der Vater ins Dunkel hinging.
Purpurn reifte die Frucht am Baum und der Gärtner rührte die harten Hände o die
härenen
Zeichen
in strahlender Sonne. Aber stille trat am Abend der Schatten des Toten in den
trauernden Kreisder Seinen und es klang kristallen sein Schritt über die
grünende Wiese vorm Wald. Schweigende versammelten sich jene am Tisch;
Sterbende brachen sie mit wächsernen Händen das Brot, das blutende. Weh der
steinernen Augen der Schwester, da beim Mahle ihr Wahnsinn auf die nächtige
Stirne des Bruders trat,der Mutter unter leidenden Händen das Brot zu Stein
ward. O der Verwesten, da sie mit silbernen Zungen die Hölle schwiegen. Also
erloschen die Lampen im kohlen Gemach und aus purpurnen Masken sahen schweigend
sich die leidenden Menschen an. Die Nacht lang rauschte ein Regen und erquickte
die Flur. In dorniger Wildnis folgte der Dunkle den vergilbten Pfaden im Korn,
dem Lied der Lerche und der sanften Stille des grünen Gezweigs, daß er Frieden
fände. O, ihr Dörfer und moosigen Stufen, glühender Anblick. Aber beinern
schwanken die Schritte Über schlafende Schlangen am Waldsaum und das Ohr folgt
immer dem rasenden Schrei des Geiers. Steinige Öde fand er am Abend, Geleite
eines Toten in das dunkle Haus des Vaters. Purpurne Wolke umwölkte sein Haupt,
daß er schweigend Über sein eigenes Blut und Bildnisherfiel, ein mondenes
Antlitz, steinern ins Leere hinsank, da in zerbrochenem Spiegel, ein sterbender
Jüngling, die Schwester erschien, die Nacht das verfluchte Geschlecht
verschlang.
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Sursa: Georg Trakl
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